Lübecker Nachrichten vom Dienstag, 11. Juli 2000
von D. Baumm
Erste Hilfe - für Studenten der Medizin ein Selbstgänger? Irrtum: erst ein neues Angebot ebnet den Weg in die Praxis.
Stimmung wie in einem Fitness-Studio: Aus den Lautsprechern dröhnt ein Beat, zu dessen Takt junge Leute Kunststoff-Torsos bearbeiten. Nach den ersten Minuten weicht die Fröhlichkeit aus den Gesichtern höchster Konzentration. Schweißperlen zeugen von der Anstrengung. Und tatsächlich: Hier geht es um die ultimative Fitness: um Herz-Lungen-Wiederbelebung. Kommt einer der hier Trainierenden- alles Medizinstudenten- je in die Situation, jemanden wieder beleben zu müssen, hilft die eingängige Melodie, eigens komponiert von der Johanniter-Unfallhilfe, den richtigen Rhythmus zu finden. Erste Hilfe einmal ganz anders: Das bietet die "AG EH-MED" an, die bundesweit arbeitende "Arbeitsgemeinschaft Erste Hilfe und Notfallkunde für Medizinstudenten". Im Mittelpunkt des angebots der AG steht stets die Praxis. Die Herz-Lungen-Wiederbelebung zum Beispiel haben die Teilnehmer zwölf Minuten nonstop geprobt. Hart - aber realistisch: "So lange nämlich dauert es erfahrungsgemäß im Durchschnitt, bis ein Rettungswagen eintrifft", erklärt Peter Iblher. Der 25-Jährige studiert an der Medizinischen Universität zu Lübeck. Außerdem ist er seit Jahren in der Johanniter-Unfallhilfe engagiert. Und er ist einer der Mitbegründer der AG EH-MED. Die ist übrigens ursprünglich aus einer Wette heraus entstanden. Peter Iblhers Bruder Hanns, Medizinstudent in Berlin, erklärte im Freundeskreis, er würde einen etwas anderen Erste-Hilfe-Kursus für Medizinstudenten anbieten. Zwei Tafeln Schokolade sollten sein Lohn sein, wenn er die Veranstaltung organisieren und leiten würde. Ganz klar, dass er sich die Leckerei verdiente.
Aber was für Hürden die Brüder und ihre Freunde zu nehmen hatten! Heute ist die AG an vier deutschen Unis etabliert. Unter anderem in Lübeck, wo jetzt mit dem ersten Kursus Premiere gefeiert wurde. Gut 60 Studenten haben teilgenommen. Und wenn auch einige vorher skeptisch waren - schließlich muss jeder angehende Mediziner für die Anmeldung zum Physikum einen Lehrgang absolvieren, was also soll daran so besonderes sein? - so war die Stimmung hinterher doch nahezu euphorisch.
Ziel der engagierten Ersthelfer ist es, langfristig die Ausbildung der Medizinstudenten zu ändern. Patienten im Notfall zielgerecht und kompetent versorgen zu können, muss Teil der Ausbildung sein, fordert Peter Iblher. Geschult wird also praxis- und teamorientiert. Und durch die Verzahnung von vorklinischer und klinischer Notfallausbildung sollen künftig einheitliche Kenntnisse in der Klinik vorausgesetzt werden können.
Besonders dankbar sind die Mitglieder der AG EH-MED dem Prodekan der MUL, Professor Peter Schmucker. Der hat sie mit Nachdruck unterstützt und den ersten Kursus in Lübeck ermöglicht. Wie gut er daran getan hat, bestätigen die Studenten bereits: "Der Kursus hat mich enorm motiviert", erzählt ein Teilnehmer. Und auch Peter Iblher weiß aus Erfahrung: "Der Wille zu helfen ist danach riesig."